Sonntag, 8. Januar 2012

Dinner in the Dark – das Leben mit anderen Augen betrachten

Gestern haben mein Mann und ich auf Einladung einer lieben Freundin an einem Dinner im Dunkeln teilgenommen. Es fand im Gasthaus Zähringer Burg in Freiburg statt. Ich muss sagen: Dieses Erlebnis eröffnet allen "Normalsehenden" einen neuen Blick auf ein wertvolles Gut. Denn für die meisten von uns ist es ganz selbstverständlich sehen zu können, eventuell unterstützt durch Brillen oder Kontaktlinsen. Aber alle, die dies hier lesen, können sehen.

Ramon kann nicht sehen. Aber er kann in einem absolut stockdunklen Raum eine Gesellschaft von 24 Personen perfekt bewirten: die Gäste an die Tische führen, Teller und Gläser abräumen, den nächsten Gang platzieren, gefüllte Weingläser auf 12 Uhr an den Teller stellen. Dabei bewerkstelligt er die logistische Meisterleistung, ohne weitere Rücksprache mit uns den Hauptgang den richtigen Empfängern zu servieren, denn man konnte wählen zwischen Fisch, Fleisch und vegetarischem Essen. 

Die Veranstalter platzieren die Gäste ganz unvorhersehbar. Nachdem alle Teilnehmer zunächst in einem nur mit Kerzen spärlich beleuchteten Raum bei einem Gläschen Sekt beisammen gesessen hatten, wurden wir in Vierergruppen durch mehrere Vorhänge hindurch in den dunklen Speiseraum geführt. Dort wurde man paarweise an ganz verschiedene Tische gesetzt, während des etwa zweieinhalbstündigen Essens wusste dann niemand, wem er gegenüber saß. In dieser völligen Dunkelheit ergaben sich unglaublich nette und vor allem lustige Gespräche – nicht nur an den jeweiligen Tischen, sondern auch tischübergreifend. Lange nicht mehr so gelacht. Ein junger Mann am Nebentisch hat dann diese besondere Situation dazu genutzt, seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Das war wirklich ergreifend, immerhin ist ein Heiratsantrag einer der intimsten Momente in einer Beziehung. Dabei waren wir alle kurz zuvor noch Fremde ...

Das Essen war übrigens superlecker, 4 Gänge (wir hatten im Hauptgang Fisch), die man irgendwie zu sich nahm. Wer nämlich glaubt, man könne im Dunkeln mit dem Messer Speisen auf seine Gabel schieben, der irrt. Im Ergebnis muss man die Finger zu Hilfe nehmen. Ein Glück, dass einen niemand sieht. Weiterer Bestandteil des Dinners war eine Weinprobe: Zu jedem Gang wurde der passende Wein aus eigener Produktion gereicht, und wir alle mussten gemeinsam überlegen, was es sein könnte. Den Abschluss des Menüs bildete dann ein Obstler. Das Erstaunliche: Nicht ein einziges Glas ist umgekippt oder zu Bruch gegangen, es gab auch keine Verletzten. In Erinnerung bleibt insbesondere der große Respekt vor der freundlichen und souveränen Leistung eines Menschen, der nicht sehen kann. Absolut empfehlenswert.

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